Zusatz-Konzert: Montag, 21. Juni 2021

Vorkonzert Martha Argerich Festival 2021

Kremerata Baltica
Gidon Kremer, Violine
Per Arne Glorvigen, Bandoneon
Georgijs Osokins, Klavier
Andrei Pushkarev, Vibraphon

Werke von Piazzolla und Glorvigen


Astor Piazzolla wurde am 11. März 1921 in Argentinien als Sohn italienischer Einwanderer geboren. Schon bald zog die Familie wegen der schlechten Wirtschaftslage Argentiniens nach New York, wo Piazzolla 17 Jahre seiner Kindheit und Jugend verbachte. Diese Zeit hat ihn sehr geprägt, besonders musikalisch.
Er trieb sich mit seinen Freunden im Stadtteil Harlem herum, stand vor dem berühmten „Cotton Club“, um Cab Calloway spielen zu hören und erlebte die Musik von Ellington, Gershwin und Benny Goodman im Radio. Den Tango kannte er nur von den alten Schellackplatten seines Vaters. Eigentlich sollte er ja Bandoneon spielen lernen, doch er entschied sich zuerst für das Klavier. Bei seinem Lehrer lernte er die Musik von Bach kennen und lieben. Nach 1936 lebte die Familie wieder in Argentinien. Neben Bach und dem Jazz machte Piazzolla nun seine dritte große Entdeckung: Er hörte ein Konzert des Sextetts von Elvino Vardaro und war sofort von dessen besonderer Tango  Interpretation begeistert.
In Bueons Aires verdiente er sein Geld als Bandoneon Spieler und Arrangeur im berühmten Tango-Orchester von Anibal Troilo, bildete sich parallel aber bei Alberto Ginastera weiter. Die folgenden Jahre waren geprägt von der Suche nach seinem eigenen Stil. Er wollte klassische Werke komponieren, studierte die Musik von Béla Bartók und Igor Strawinsky, und legte zeitweilig sogar sein Bandoneon ganz zur Seite.

Erst die Begegnung mit Nadia Boulanger 1954 öffnete ihm die Augen, und ihm wurde klar, dass er sich nicht zwischen Tango und anspruchsvoller, klassischer Musik entscheiden musste. Er wollte vielmehr versuchen, die Struktur der klassischen Musik mit der Leidenschaft des Tangos zu verknüpfen. Mit seiner Rückkehr aus Paris im Jahr 1955 war damit der Tango Nuevo geboren. Piazzolla kreierte mit seinem Tango Nuevo eine komplett eigene Musiksprache. Er spickte seine Kompositionen mit rebellischen Elementen aus dem Jazz und der Avantgarde und orientierte sich strukturell an klassischen Werken. Außerdem experimentierte er mit verschiedenen kammermusikalischen Besetzungen und bezog zeitweilig auch elektronische Instrumente mit ein. Dass er damit bei den Puristen des argentinischen Tangos auf extremen Gegenwind stieß, war zu erwarten. Sein Opus besteht heute aus über 1.000 Werken und beeinflusst und inspiriert bis heute Musiker aller Generationen.
Textauszug BR Klassik, Mittagsmusik vom 8.3.2021 Astor Piazzolla – Revoluzzer am Bandoneon

Geiger, Künstlerischer Leiter und Gründer der Kremerata Baltica – mit seiner ungewöhnlich kompromisslosen künstlerischen Grundhaltung gilt Gidon Kremer weltweit als einer der originellsten und überzeugendsten Künstler seiner Generation. Sein Repertoire reicht von bekannten klassischen Kompositionen bis zu modernen Werken führender Komponisten des 20. und 21. Jahrhunderts. Er engagiert sich insbesondere für das Schaffen russischer und osteuropäischer Komponisten und hat im Laufe seiner Karriere viele wichtige neue Werke aufgeführt, von denen ihm einige gewidmet sind. Sein Name ist eng mit diversen zeitgenössischen Komponisten verbunden, unter anderem mit Alfred Schnittke, Arvo Pärt, Giya Kancheli, Sofia Gubaidulina, Valentin Silvestrov, Luigi Nono, Edison Denisov, Aribert Reimann, Pēteris Vasks, John Adams, Victor Kissine, Michael Nyman, Philip Glass, Leonid Desyatnikov und Astor Piazzolla; seine Interpretationen sind traditionsbewusst, aber gleichzeitig frisch, originell und lebendig. Kremer hat die zeitgenössischen Komponisten und die Neue Musik im Violinfach ohne jeden Zweifel intensiver und nachhaltiger gefördert als jeder andere international erfolgreiche Solist.

Kremer hat bereits mehr als 120 Alben aufgenommen; viele erhielten für ihre bemerkenswert tiefgründigen Interpretationen bedeutende internationale Preise. Die lange Liste seiner Auszeichnungen umfasst unter anderem den Ernst von Siemens Musikpreis, das Große Bundesverdienstkreuz, den Moskauer Triumph-Preis, den UNESCO-Musikpreis und den Preis Una vita nella musica – Artur Rubinstein. 2016 wurde Gidon Kremer zudem einen Praemium Imperiale verliehen, der allgemein als Nobelpreis der Musik gilt.

1997 gründete Kremer das Kammerorchester Kremerata Baltica zur Förderung herausragender Nachwuchsmusiker aus dem Baltikum. Das Ensemble unternimmt regelmäßig ausgedehnte Konzertreisen und hat bereits fast 30 Alben bei Nonesuch Records, Deutsche Grammophon, Burleske und ECM aufgenommen. After Mozart (Nonesuch Records 2001) gewann 2002 einen ECHO Klassik und einen Grammy Award; das kürzlich bei ECM erschienene Album mit Werken von Mieczysław Weinberg war 2015 für einen Grammy nominiert.

In der Saison 2016/17 leitet Gidon Kremer die beiden Jubiläums-Tourneen der Kremerata Baltica, die das Orchester anlässlich seines 20-jährigen Bestehens und zur Feier von Kremers 70. Geburtstag durch Nordamerika und Europa unternimmt.

Per Arne Glorvigen zählt zu den führenden Bandoneon-Spielern der Gegenwart. Nach seinem Studium beim argentinischen Bandoneon-Maestro Juan José Mosalini und mehreren Aufenthalten in Buenos Aires begann Glorvigen seine Karriere als professioneller Bandoneonist. Begegnungen mit den Tangolegenden Piazzolla, Pugliese, Salgán und die enge Freundschaft mit dem Dichter und Tangohistoriker Horacio Ferrer prägten seinen Weg nachhaltig.

Nach Studien bei Eric Tanguy (Komposition) und Guillaume Connesson (Orchestrierung) in Paris wandte sich Glorvigen auch selbst dem Komponieren zu. Seine Werke wurden in zahlreichen europäischen Ländern aufgeführt. In letzter Zeit entstanden Auftragskompositionen für das Oslo Philharmonic Orchestra, das Apollon Musagète Quartett und die Arctic Sinfonietta.

Zu Glorvigens musikalischen Partnern zählen unter anderem Gidon Kremer, mit dem er weltweit nahezu 100 Konzerte gegeben hat und vier CDs eingespielt hat, Nicolas Altstaedt, das Delian Quartett, das Alban Berg Quartett und die Staatskapelle Dresden. Zusammen mit der Geigerin Daniela Braun und dem Kontrabassisten Arnulf Ballhorn bildet er das Glorvigen Trio.

Georgijs Osokins begann seine Studien bei seinem Vater Professor Sergejs Osokins, einem prominenten Lehrer und Pianisten in Lettland. Zu Osokins‘ Erfolgen zählen Preise beim 9. Internationalen Moskauer Chopin-Wettbewerb für junge Pianisten (2014) und beim 9. Internationalen Alexander-Skrijabin-Wettbewerb in Paris (2009) sowie der zweite Preis beim Berliner Internationalen Musikwettbewerb (2017). Im März 2016 erhielt Georgijs Osokins den lettischen Grand Music Award, die höchste Auszeichnung in der Musikindustrie Lettlands.

Georgijs Osokins erlangte internationale Aufmerksamkeit durch seine Teilnahme am Chopin-Wettbewerb (2015) im Alter von 19 Jahren: Er war einer der Publikumslieblinge und wurde von den Kritikern als außergewöhnlich beschrieben. Noch vor Ende des Wettbewerbs erhielt er Konzerteinladungen für ein Solo-Recital beim prestigeträchtigen Festival „Chopin and His Europe“ in Warschau und für seine erste Japan-Tournee. Weitere Debüts im Berliner Konzerthaus und im Vancouver Playhouse folgten. Das britische Label „Piano Classics“ veröffentlichte im Jahr 2016 Georgijs Debütalbum mit Chopins Spätwerken. Diese Aufnahme wurde von wichtigen kanadischen und französischen Magazinen enthusiastisch aufgenommen.