Symphoniker Hamburg
Pablo González, Dirigent
Svetlin Roussev, Violine
Édouard Lalo (1823-1892)
Symphonie espagnole d-Moll op. 21 für Violine und Orchester
Allegro non troppo
Scherzando: Allegro molto
Intermezzo: Allegretto non troppo
Andante
Rondo: Allegro
Pablo González, der als einer der leidenschaftlichsten Dirigenten seiner Generation gefeiert wird, ist Chefdirigent des Spanischen Radio- und Fernsehsymphonieorchesters (RTVE) und tritt regelmäßig im Teatro Monumental in Madrid auf. Zuvor war er Musikdirektor des Orquestra Simfònica de Barcelona i Nacional de Catalunya. Russisches und deutsches symphonisches Repertoire des 19. Jahrhunderts gehören zu Pablo González‘ Kernrepertoire. Für seine Interpretation hat er breite Anerkennung von Publikum und Kritik erhalten und als Gastdirigent eine Reihe enger Beziehungen zu bedeutenden europäischen Orchestern geknüpft. Die letzten Spielzeiten waren insbesondere von Debüts und wiederkehrenden Besuchen bei einigen der führenden Sinfonieorchester Deutschlands geprägt, die Pablo González zu wichtigen Veranstaltungsorten wie u. a. dem Berliner Konzerthaus mit dem Konzerthausorchester Berlin, dem Großen Sendesaal des Hessischen Rundfunks mit dem hr-Sinfonieorchester Frankfurt oder etwa dem Kulturpalast mit der Dresdner Philharmonie führten. Pablo González arbeitet häufig mit vielen angesehenen Solisten zusammen. Im Februar 2022 ist Pablo González erstmals mit den Symphonikern Hamburg – und sogar erstmals in Hamburg – zu erleben.
Svetlin Roussev begann seine musikalische Ausbildung in sehr jungen Jahren bei seiner Mutter, einer Professorin an der Musikschule seiner Heimatstadt Ruse, Bulgarien. Mit 15 Jahren wurde er am Conservatoire National Supérieur de Musique et de Danse de Paris aufgenommen. Seit er im Mai 2001 den ersten Preis beim viel beachteten ersten Internationalen Sendai-Wettbewerb gewann, genießt der charismatische Geigenvirtuose Svetlin Roussev eine prestigeträchtige internationale Karriere und tritt in vielen der wichtigsten Konzertsäle der Welt auf. Er spielt ein breites Repertoire, das vom Barock bis zur Gegenwart reicht, ist bekannt für seine Interpretationen slawischer Kompositionen und fördert die bulgarische Musik. 2006 zum gefeierten bulgarischen Musiker des Jahres gekürt, ehrte ihn sein Heimatland 2007 und 2016 erneut mit der vom Kulturministerium verliehenen Cristal Lyra-Auszeichnung. 2018 wurde Roussev zusammen mit dem Literaturnobelpreisträger Elias Canetti Ehrenbürger seiner Heimatstadt Ruse.
Roussev ist Professor an der renommierten Haute École de Musique in Genf und hat weltweit Meisterkurse für Violine und Kammermusik gegeben. Er ist außerdem künstlerischer Berater und Artist in Residence des March Music Days International Festival in seiner Heimatstadt Ruse. Er spielt auf der Stradivarius 1710 Camposelice Violine, die freundlicherweise von der Nippon Music Foundation zur Verfügung gestellt wurde.
Das nennt man wohl grenzüberschreitende Verwirrung: Édouard Lalo, dieser hierzulande etwas zu wenig bekannte französische Komponist mit alten spanischen Wurzeln und einer leidenschaftlichen Vorliebe für deutsche Kammermusik, schrieb in den 1870er-Jahren eine »norwegische Fantasie«, ein »russisches Konzert« – und eine »Symphonie espagnole«, die zwar zum Teil spanisch klingt, aber keine Symphonie ist. Schon die Anzahl der Sätze (fünf) ist nicht gewöhnlich. Und viel zu sehr steht die Solovioline im Vordergrund, als dass man nicht von einem Violinkonzert sprechen könnte und sollte.
Das schmälert jedoch nicht den Wert des 1874 geschriebenen Werks, das als ein wesentliches der romantischen Violinliteratur sowie als Lalos beliebtestes gilt; schon der Widmungsträger, der spanische Virtuose Pablo de Sarasate, verschaffte diesem getarnten Solistenkonzert einen angemessen prominenten Namen. (Lalo dankte ihm für die Inspiration: »Ohne Sie hätte ich weiter unbedeutenden Kram geschrieben!«) Die technischen Herausforderungen sind mitunter gewaltig. Davon weiß der Beginn des energischen ersten Satzes allerdings noch nicht viel. Wuchtig wird uns das erste Thema »eingehämmert«: b-b-f, b-b-b-f, das ist nicht gerade feingeistig, doch auch Beethovens meisterhafte Fünfte entwickelte sich bekanntlich aus einem simplen Miniatur-Motiv, das diesem hier gar nicht unähnlich – nur eben ab- statt aufwärtsgerichtet – ist.
Es ist ein geschickter Kniff Lalos, das Werk in fünf, jeweils nicht allzu lange Sätze aufzuteilen. Ermöglicht ihm dies doch eine große Bandbreite an Stilvariationen. Hohe Lagen, tiefe Lagen, atmosphärische Wechsel, Virtuosität und Gefühlsausdruck – all das macht die »Symphonie espagnole« so attraktiv. Das Scherzando an zweiter Stelle sorgt mit Streicher-Pizzikato und Bläsersignalen für eine verspielte Faschingsstimmung. Den dritten Satz »Intermezzo« eröffnet das Orchester mit einem »spanisch« klingenden Rhythmus: Triole plus zwei Achtel. Und die Violine darf schwelgen und tänzerisch springen. Im einzigen wirklich langsamen Satz, dem Andante, kommen Fans des iberischen Melancholie-Melos‘ auf ihre Kosten, wenn die Soloviole zum zart-lyrischen Gesang ansetzt. Und zum Finale erwartet uns ein vergleichsweise heiteres, verschmitztes sowie teils äußerst virtuoses Rondo.
Olaf Dittmann